"Leben ist Vielfalt und Aussterben heißt: "Verschwunden von dieser Erde für alle Zeiten!"
Dr. Jürgen Güntherschulze ist ein Mann der ersten Stunden, was die praktische Erhaltungsarbeit an zahlreichen bedrohten Nutztierrassen und die dazu gehörende Bewusstseinsbildung auf deutschem Boden betrifft. Sehr frühzeitig hatte er erkannt, dass die Arbeit der zoologischen Gärten nicht nur den Wildtierarten gelten dürfe, sondern gefährdete Nutztierrassen unbedingt einzu-beziehen wären. Und das nicht nur in den Streichelabteilungen der Tiergärten, sondern an vorderer-, angemessener Stelle.
Bei seinen Überlegungen spielten zwei wesentliche Aspekte eine maßgebliche Rolle: Einerseits die Umgänglichkeit der durch Zucht auf Menschen bezogenen Nutztierrassen, die eine größere Nähe zwischen Besuchern der zoologischen Gärten und den Tieren ermöglichte, sowie die oft spannend zu lesende Kulturgeschichte der einzelnen Rassen, die sich teils über Jahrzehnte-, über Jahrhunderte oder gar über Jahrtausende erstreckt. Andererseits die gemeinsame Entwicklung, das Miteinander von Menschen mit ihren boden-ständigen, angepassten Haustierformen, ja, die Entwicklung vom Wildtier zum Haustier überhaupt, den damit verbundenen Entwicklungsstufen, späteren Nutzungsänderungen und schließlichen Gründen, die zur Bedrohung und zum Untergang zahlreicher historischen Rassen geführt haben.
In seiner Methodik der Erhaltungszucht hat Jürgen Güntherschulze Maßstäbe gesetzt, die anderenorts aufgegriffen- und übernommen wurden. Oft ist Jürgen Güntherschulze der erste gewesen, der Ideen einbrachte, innovativ tätig wurde. Das „Satellitensystem“ (züchterische Außenstationen), gemeint ist der Aufbau von Außenbeständen der Nutztierrassen in Kooperation mit Landwirten, die die Erhaltung der jeweiligen Rassen in Zusammenarbeit mit dem Tierpark betreiben und somit größere Genpools schaffen, wurde von ihm angedacht und aufgebaut. Bei der Gründung und der Gestaltung seines größten Projektes, des Tierparks Arche Warder (bis 2003 Haustier-Schutzpark Warder genannt) in Schleswig Holstein, hat er sich an bereits bestehenden Einrichtungen für historische und bedrohte Nutztierrassen in England orientiert; bald war es ihm gelungen, seinen deutschen Haustierpark, eröffnet 1991, zum größten Tiergarten für bedrohte Nutztierrassen in Europa aufzubauen.
Das Interesse am Umgang mit Tieren, vielfältige kulturelle Interessen und Begeisterung für Outdoor- Aktivitäten, wie dem Fallschirmsringen, wurden dem heute 64jährigen schon in die Wiege gelegt. Aufgewachsen ist er auf dem elterlichen Gutshof in Meyerhausen/ Bad Zwischenahn (Niedersachsen). Schon als Jugendlicher ging Güntherschulze begeistert zur Jagd, dem Abitur in Westerstede folgte der Wehrdienst im Fallschirmspringerbataillon 272 in Wildeshausen; nach dem Abschluss des Wehrdienstes mit dem Offiziersgrad schloss er das Biologiestudium an der Christian- Albrechts- Universität Kiel an, mit Hauptfach Zoologie und im Nebenfach Botanik und Anthropologie. 1974 folgte das Diplom, 1977 die Promotion zum Dr. rer. nat. am Kieler Institut für Haustierkunde über Riech- und Sinnesleistungen bei Wild- und Hausschweinen während der gesamten Ontogenese (d.h. Entwicklung vom ungeborenen bis zum erwachsenen Tier). Der Promotion folgten berufliche Tätigkeiten als wissenschaftlicher Assistent und stellvertretender Direktor im Tierpark Dortmund, als Wissenschaftlicher Direktor im Tierpark Neumünster (e. V.), als wissenschaftlicher Direktor im Wildpark Lüneburger Heide und – seit dem 01. Januar 1989 – die Gründung und der Aufbau des ersten Deutschen Haustier-Schutzparks (Genreserve- Zuchtzentrum) in Warder/ Schleswig-Holstein, einem Familienunternehmen, das am 27. April 1991 für Besucher eröffnet wurde.
In diesem Zeitraum zwischen der Promotion und der Eröffnung des eigenen Tierparks, 1977 – 1992, leitete Güntherschulze 15 Jahre lang in Zusammenarbeit mit Wildlife- Organisationen und naturkundlichen Spezial-Reiseveranstaltern, gefördert durch den World Wildlife Fund (WWF) exklusive Besuchergruppen auf Reitelefanten zu den freilebenden Tigerbeständen in Indien und Nepal und lernte nicht nur über 20 Nationalparks, sondern auch die im Arten- und Naturschutz Indiens maßgeblichen Persönlichkeiten kennen, wie den bekanntesten Tigerforscher des Landes und ehemaligen Direktor des Zoos der Metropole Delhi, Kailash Sankhala und dessen Sohn Pradeep. Mit ihnen war er in diesen Jahren im Rahmen des internationalen PROJEKT TIGER in den Buschcamps des indischen Subkontinents unterwegs und steht nach wie vor im freundschaftlichen Kontakt zur Familie Sankhala. Die Tätigkeit in Indien war so flächendeckend, umfang- und facettenreich, dass Güntherschulze noch heute sagt, Indien besser zu kennen als die deutsche Heimat.
Gleichzeitig entwickelten sich zunächst in England, später auch in Deutschland Überlegungen, die als nicht mehr wirtschaftlich erachteten- und untergehenden Nutztierrassen zu erhalten; Vordenker waren Thomas Schulze-Westrum und Horst Stern, die mit ihren Filmbeiträgen Anfang der 80èr Jahre diese Thematik an die Öffentlichkeit brachten. Diese Beiträge hatten auch Jürgen Güntherschulze begeistert und inspiriert. Nachdem es ihm gelungen war, im Zoo Neumünster bedrohte Haustierrassen zu etablieren, gleichrangig neben dem bisherigen Schwerpunkt, nordische Wildtiere zu zeigen, begann er schon, einen entsprechenden eigenen Tiergarten zu planen, der sozusagen ein Unikat darstellen- und den historischen Haustierrassen erstmals zu ihrem gebührenden Rang unter den bisher gezeigten Arten verhelfen sollte. Bis dahin waren zu viele Haustiere in Zoos ein Symbol für einen armen Zoo; Haustiere in zoologischen Gärten galten eher als Verlegenheitslösung, wenn Wildtierhaltung zu teuer war. Oder sie dienten als schnell verfügbares Futter für fleischfressende Zootiere. Ab jetzt sollten sie aber eine ganz neue Wertigkeit im zu gründenden Tierpark Warder erhalten. Güntherschulze machte sich kundig, vernetzte sich, in Deutschland, in England und international, lernte die wenigen Aktivisten kennen, die sich damals schon für bedrohte Nutztierrassen einsetzten, wie den damaligen und heutigen Direktor des Rare Breeds Survival Trust International, Lawrence Alderson.
Oft war Güntherschulze der erste oder einer der ersten, die zur Stelle waren und mitgewirkt haben, wie etwa bei der Gründung der GEH 1981; damals war er das einzige „Nordlicht“ im zumeist Süddeutschen Interessentenkreis. Auch bei der Gründung der Organisation Rare Breeds International (RBI), gegründet 1987 in Warwickshire unter der Schirmherschaft von Prince Charles (England), war Güntherschulze als einer der wenigen Deutschen dabei und wirkte und gestaltete seither national und global mit. Und seiner Freundschaft mit dem Belgier Ronny de Clerq haben gleich zwei belgische Nutztierrassen ihr Überleben zu verdanken, Belgische Bartkaninchen und Flämische Houtlandschafe, die auf Bitte des Belgiers in Warder gezüchtet und erhalten wurden, bis sie wieder verbreitet und erneut etabliert werden konnten. Güntherschulze importierte auch als erster die genetisch wertvollen und zugleich ältesten Hausrinder der Welt nach Deutschland, die Weißen Englischen Parkrinder (White Park Cattle).
Gleichzeitig erinnert Güntherschulze an frühe Vorbilder und Einzelkämpfer im Bereich der Erhaltung von einzelnen Nutztierrassen, ohne die die letzten Einzeltiere nicht überlebt hätten, solange, bis man sich schließlich erneut und mit vereinten Kräften um ihre Erhaltung gekümmert hat. Beispielhaft benennt- und würdigt er Professor Dr. D. Altmann, der als erster Tiergartenleiter in der damaligen DDR die große Chance der Erhaltungszucht und der Bewahrung alter Nutztierformen erkannt- und sich im Tierpark Erfurt dafür eingesetzt hatte, damals, als man sich in Westdeutschland noch nicht damit beschäftigt hatte.
Jürgen Güntherschulze leitete den Haustierpark Warder (heute Arche Warder) seit seiner Eröffnung gut 12 Jahre lang, bis zum Oktober 2003. Bis dahin hatte der Tierpark wichtige Arbeit in der Erhaltungszucht geleistet, die oft besonderer Aufwende bedarf. In dem Zusammenhang sind Importe zu nennen, die sich bisweilen schwierig gestalten; Auslandsreisen, eine Expedition zu chilenischen Inseln, um dort Juan Fernandez- Ziegen einzufangen und für die weitere Erhaltungszucht dieser mittelalterlichen Rasse in Europa nutzen zu können, um den vorhandenen Genpool zu vergrößern. Seinerzeit habe der Tierpark mit seinen Satellitenstationen 1500 Tiere in 150 Rassen gehalten; bis heute sei das die größte Sammlung bedrohter alter Nutztierrassen in Europa. Als Gründer musste Jürgen Günrtherschulze das Unternehmen aufgeben, aufgrund von wirtschaftlichen Zwängen, die sich aus dem Finanzierungs-Umfeld des Tierparks ergeben hatten. Verschiedene weitere Stationen mit tiergärtnerischen Aktivitäten führten seither dazu, dass Güntherschulze Anfang 2008 der Wissenschaftliche Direktor des Haustierparks Lelkendorf wurde und seit Mai 2011 Tierparkleiter und Geschäftsführer der Haustierpark Lelkendorf GmbH ist. Anlässlich seines 20jährigen Bestehens wurde der Haustierpark Lelkendorf im Sommer 2012 zum Arche- Park erklärt, einem von 6 anerkannten Arche- Parks der GEH in Deutschland. Wie schon andere Tiergärten war auch der Haustierpark damals durch die Inspiration Güntherschulzes entstanden. Zwischenzeitlich hatte er auch die Gesellschaft für Internationale Nutztierrassen-Vielfalt in Deutschland e. V. (GENUVI) gegründet, weil er den starken Bedarf gesehen hatte, ein Forum zu schaffen für die in Deutschland gehaltenen seltenen Nutztierrassen aus anderen europäischen Ländern und von anderen Kontinenten, die ebenfalls bedroht sind und deren Erhaltung in Deutschland einer Vernetzung bedarf. Jürgen Güntherschulze ist Mitglied in weiteren Organisationen, die sich für die Erhaltung bedrohter Nutztierrassen einsetzen.
Gründer bzw. Mitbegründer von Organisationen
Mitgliedschaften in Verbänden, Vereinen und Stiftungen (Auszüge)
Auszüge aus Mitwirkung bei professionellen, naturkundlichen Fernseh- und Videofilmen
NDR Sendung Markt im Dritten (15.04.1996)
Transport von Kriegsflüchtlings-Schweinen aus dem ehem. Jugoslawien in die Rettungsstation Warder (SLH). / Um das Aussterben der Turopoljer-Schweine (Kraina-Schweine) durch die Kriegswirren zu verhindern, wurden über den Zagreber Zoo und über Wien zwei Paare nach Warder transportiert.
NDR-Dokumentation "Eine Arche für das Liebe Vieh" (11.07.1999)
Dokumentationüber bedrohte Haus- und Nutztierrassen in Deutschland. Begleitung von Dr. Güntherschulze bei der Begleitung von Initiativen zum Erhalt von Haus- und Nutztierrassen in Nepal und Brasilien. Expetition zum Juan-Fernandez Archipel (Robinson Insel)
Ein Bauer, ein Förster und ein Züchter alter Schweinerassen. Ihr gemeinsames Ziel ist ein glückliches Leben für die Schweine. Im Freiland mit Hütten, wo sie sich im Elbetal frei bewegen können, im Ivenacker Hutewald so wie im Mittelalter üblich und im Lelkendorfer Park , wo die aussterbenden alten Schweinerassen wie in einer Arche überleben.
Auszüge aus Puplikationen als Autor (A) bzw. Mitautor (MA)
(2000): Farm Parks In Germany And Progress Of The Satellite
Breeding Network of the Tierpark Warder (invited paper).
In:Proceedings of the Fourth Global Conference on Conservation of Domestic Animal Genetic Resources; Kathmandu 1998, Nepal; S.138 – 142 (A)
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